Früher Totaler Muttermund-Verschluss (FTMV)

Erich Saling, Monika Dräger geb. Schreiber und Jürgen Lüthje

 
Einführung
Definitionen
Indikationen
Zeitpunkt
Präoperativ
Eipol-Lavage
Operation
Postoperativ
Sonderfälle
Präpartal
Entbindungsmodus
Zustand nach der Geburt
Ergebnisse
Mehrlinge
Schlussfolgerung
Patientinneninfo
Klassifikation
Adressen
TMV-Video
Literatur

Einführung

Wiederholte Spätaborte und frühe Frühgeburten sind zwei der bislang noch ungenügend gelösten Probleme der Geburts- und Perinatal-Medizin, wie sie heute mancherorts noch praktiziert wird. Die betroffenen Patientinnen sind häufig stark belastet: Einerseits sehnen sie sich sehr nach einem Kind und auf der anderen Seite erfahren sie wiederholte Verluste, was häufig zu zunehmenden psychologischen Belastungen führt. Ihnen zu einem lebenden Kind zu verhelfen, ist in solchen Fällen eine besonders wichtige medizinische und psychologische Aufgabe.

Pathophysiologie

Eine Hauptursache für Spätaborte und frühe Frühgeburten (≤ 32+0 SSW) sind aus der Vagina aufsteigende Infektionen (vgl. „Allgemeines zu Fehl- und Frühgeburten/Ursachen“). Deswegen empfehlen wir für alle Schwangeren ein regelmäßiges Screening durch Arzt/Hebamme auf vaginale Milieustörungen oder Infektionen sowie die Teilnahme an unserer Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere. Bei einigen Frauen reicht das aber nicht aus, und es kommt zu (wiederholten) Fehl- und Frühgeburten.

Zervixinsuffizienz vs. funktionelle Zervixverschlussstörung

In diesen Fällen wird leider immer noch häufig der Begriff „Zervixinsuffizienz“ verwendet. Wir sollten aber besser von „funktionellen Zervixverschlussstörungen“ sprechen. Ursachen können z. B. folgende sein (nach Ramsauer 2012)

  • Aufsteigende Infektionen
  • Unzureichende Produktion funktionellen Zervixschleims
  • Unzureichende funktionelle Zervixlänge für Druckbelastung durch das Uterusvolumen (z. B. nach Konisation oder bei Mehrlingsschwangerschaften oder Polyhydramnion)
  • Gewebeveränderungen der Zervix (Bindegewebserkrankungen, nach Trauma, Emmet-Riss oder multiplen Kürettagen)

Romereo et al. (2006) diskutieren zusätzlich noch angeborene Erkrankungen sowie eine Hemmung der Progesteron-Wirkung. Die Ursachen können sich natürlich auch gegenseitig bedingen, so können z. B. mehrere der genannten Ursachen das Aufsteigen von Infektionen begünstigen. Insgesamt spielen aber Infektionen bei weitem die größte Rolle. So liegt laut Romero bei Schwangeren, die das klinische Bild einer „Zervixinsuffizienz“ haben, in 51 % eine mikrobielle Invasion der Amnionhöhle (engl. MIAC: microbial invasion of the amniotic cavity) vor (Romero et al. 1992). Weitere Forschung in diesem Bereich ist unbedingt nötig.

Früher Totaler Muttermund-Verschluss als präventive Maßnahme

In Fällen von sich wiederholenden Spätaborten und Frühgeburten stellt der Frühe Totale Muttermund-Verschluss (FTMV) die effektivste Maßnahme in Form einer Prävention dar und unterscheidet sich grundlegend von einer Cerclage (s.u.). Der Frühe Totale Muttermund-Verschluss bildet eine vollständige Barriere gegen aufsteigende Infektionen innerhalb des Zervikal-Kanals. Wir führten diese Maßnahme 1981 ein (Saling 1981). Vor dieser Zeit gab es in der Literatur nur wenige Veröffentlichungen über einen operativen späten Muttermund-Verschluss. Der Verschluss wurde fast ausschließlich bei drohendem Abort, vor allem in fortgeschrittenen Stadien durchgeführt. Z. B. hat Szendi (1961) zwei Artikel über das Thema „Verhinderung von fortgeschrittenen Fehl- und Frühgeburten durch vollkommenen Muttermund-Verschluss“ veröffentlicht. Der Muttermund-Verschluss stellte also eine Notfallmaßnahme dar, vor allem wenn es zu einem Vorfall der Fruchtblase gekommen war.

Unser Ansatz war ein ganz anderer. Wir führten den Muttermund-Verschluss als Maßnahme der Frühprävention ein. Er sollte durchgeführt werden

  • bei Frauen mit einer belasteten Anamnese (s.u.)
  • früh in der Schwangerschaft (mit ca. 12 SSW)
  • und wenn die Zervix noch in einem anatomisch weitgehend unbeeinträchtigten Zustand ist.

Zwischen dem Totalem Muttermund-Verschluss (TMV) und der Cerclage (und im Prinzip auch zum gelegentlich verwendeten Pessar) besteht ein essentieller Unterschied. Während der Muttermund-Verschluss den Zervikalkanal tatsächlich verschließt und so in Form einer Barriere die Aszension von Mikroorganismen verhindert, wird der Zervikalkanal durch die Cerclage (oder durch ein Pessar) nur verengt (s. Abb. 1). Die deshalb zwangsläufig wesentlich schlechteren Ergebnisse der Cerclage werden weiter unten noch besprochen.

Vergleich zwischen Muttermund-Verschluss und Cerclage

Abb. 1: Vergleich zwischen Muttermund-Verschluss und Cerclage

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Achtung!

Nicht alles was „Muttermund-Verschluss“ genannt wird, ist tatsächlich ein Muttermund-Verschluss nach Saling !
Der Muttermund kann nur dann vollständig zusammenwachsen, wenn das Epithel vor dem Vernähen entfernt wird. Wenn dies nicht erfolgt, so handelt es sich nicht um einen Muttermund-Verschluss nach Saling, sondern letztlich um eine Form der Cerclage.

Insbesondere möchten wir darauf hinweisen, dass es sich beim sog. „Cervical Occlusion Trial“ der Arbeitsgruppe um Secher und Brix (Brix et al. 2013) nicht um einen totalen Verschluss handelt, sondern nur um eine besonders enge Form der Cerclage.
Leider wird dies auch in der AWMF-Leitline „Prävention und Therapie der Frühgeburt“ aus dem Jahre 2019 immer noch verwechselt.

 
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Definitionen

Beim Totalen Muttermund-Verschluss (TMV) unterscheiden wir zwischen einem „frühen“ und einem „späten“ TMV (s. Tabelle 1). Wegen der erheblich besseren Ergebnisse bei der Vermeidung von Spätaborten und Frühgeburten (s.u.) empfehlen wir, den Muttermund-Verschluss so weit nur möglich „früh“ (FTMV) statt „spät“ durchzuführen. Bezüglich der Operationstechnik kann man zwischen einem großen Totalen Muttermund-Verschluss und einem kleinen TMV unterscheiden (Tabelle 1). Für die meisten Fälle empfehlen wir den TMV als großen frühen TMV durchzuführen.

Bezeichnung Abkürzung Definition bzw. Durchführung
Früher TMV FTMV < 16 SSW* und bei weitgehend normalem Portiobefund (sonographische** Zervixlänge ≥ 30 mm)
Später TMV STMV ≥ 16+0 SSW oder bei kritischem Portiobefund (sonographische Zervixlänge < 30 mm)
Großer TMV   2–3 zirkuläre intrazervikale Nähte und 2 äußere Knopfnahtreihen nach Entfernung des Epithels im unteren Zerviaklkanal und an der Portio
Kleiner TMV   lediglich 2–3 zirkuläre intrazervikale Nähte nach Entfernung des glandulären Epithels im unteren Zervikalkanal

Tabelle 1: Definitionen zum Totalen Muttermund-Verschluss (TMV)
* Die Angabe „16 SSW“ bezieht sich auf die Definition. Wir empfehlen den FTMV aber schon mit bereits 12 SSW durchzuführen (s.o.).
** Die sonographische Zervix-Längenbestimmung ist genauer als die Beurteilung der Zervix mit dem Bishop-Score, weshalb ihr der Vorrang gegeben werden sollte.

 
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Indikationen und Kontraindikationen

Indikationen für einen Frühen Totalen Muttermund-Verschluss (FTMV)

  1. Die „klassische Indikation“ für einen FTMV stellen zwei oder mehr späte Aborte (≥ 12+0 SSW) oder frühe Frühgeburten (< 32+0 SSW) in der Anamnese dar, die entweder auf eine Infektion zurückzuführen waren oder für die sich keine andere, spezifische Ursache finden ließ. (Bitte beachten Sie, dass eine der Hauptursachen für einen vorzeitigen Blasensprung aufsteigende vaginale Infektionen sind.)
  2. Bislang existieren leider noch keine Untersuchungen darüber, ob bzw. in welchen Fällen, bei denen anamnestisch bislang nur ein später Abort oder eine frühe Frühgeburt vorlag, ein konsequentes Screening auf Störungen des vaginalen Milieus (s. Frühgeburten-Vermeidungs-Programm) in Verbindung mit der Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere zu ähnlich guten Ergebnissen wie ein FTMV führen würde. Im Zweifel sollte daher nach nur einer missglückten Schwangerschaft ebenfalls ein Muttermund-Verschluss angeraten werden – ganz besonders dann, wenn noch andere Fertilitätsprobleme vorliegen oder die Schwangere bereits älter ist. in vielen Kliniken wird die Indikation zum FTMV inzwischen deutlich großzügiger gestellt. (Ggf. könnte dann ein kleiner Muttermund-Verschluss ausreichend sein (s. Tabelle 1). Wir wissen aber nicht, in welchen Kliniken diese Variante überhaupt praktiziert wird.)
  3. Bei Mehrlingsschwangerschaften konnte Schulze mit dem FTMV eine deutliche Absenkung der Frühgeburtenzahlen erreichen (s.u.). Anhand des vorliegenden Datenmaterials ist es vielleicht noch zu früh, einen FTMV generell bei allen Mehrlingsschwangerschaften zu empfehlen, bevor nicht auch andere Studien zu gleich guten Ergebnisse kommen. Aber bei Mehrlingsschwangerschaften und zusätzlichen Risikofaktoren (z. B. nach In-vitro-Fertilisation, oder bei einer Schwangeren gegen Ende ihrer möglichen Reproduktionszeit) sollte unseres Erachtens die Möglichkeit eines FTMV unbedingt erwogen werden.
  4. Auch nach ausgedehnter Konisation wird wegen des erhöhten Frühgeburtsrisikos von einigen Ärzten inzwischen für die nachfolgende Schwangerschaft ein FTMV empfohlen (vgl. z. B. Ramsauer (2012)). Dazu gibt es zurzeit leider noch keine Studien, aber man sollte diese Möglichkeit zumindest mit der Schwangeren diskutieren. Ramsauer diskutiert als Indikation auch Zustand nach widerholten Hegar-Dilatationen.
  5. Andere, seltenere Indikationen wären z. B. ein Z. n. Asherman-Syndrom (Dr. Gallinat, Hamburg, pers. Mitteilung) oder einige Bindegewebserkrankungen.

Kontraindikationen für einen FTMV

Kontraindikationen sind eine bereits eröffnete Zervix mit Infektionszeichen oder therapieresistente Wehen.

Indikationen für einen späten Totalen Muttermund-Verschluss

Ein totaler Muttermund-Verschluss (TMV) wurde ursprünglich von Szendi 1961 als spät-therapeutische Notfallmaßnahme durchgeführt (Szendi 1961) und kann natürlich auch heutzutage sekundär durchgeführt werden,

  • z. B. bei auffälliger und zunehmender Verkürzung der Portio
  • z. B. als Notfallmaßnahme in Verbindung mit Reposition einer prolabierten, aber noch intakten Fruchtblase. Einige Operateure verbinden in diesem Fall den TMV mit einer Cerclage. Während sie in den 1980er Jahren mit dem späten TMV in 40 % der Fälle Erfolg hatten (was damals schon ein großer Erfolg war!) (Giffei 1990, Saling 1990) sind die Ergebnisse bei diesen hochgradig gefährdeten Schwangerschaften (bei Durchführung durch erfahrene Operateure) mit inzwischen fast 90 % Erfolg sehr viel versprechend (s. z. B. Ramsauer 2012).

Soweit möglich, sollte aber dem präventiven (frühen) Verschluss unbedingt der Vorzug gegeben werden (s.a. unten bei Ergebnisse).

 
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Zeitpunkt der Operation

Der FTMV sollte möglichst früh in der Schwangerschaft, vorzugsweise mit ca. 12 SSW, spätestens mit 14 SSW durchgeführt werden (auch wenn er per definitionem noch bis 16 SSW als „früh“ bezeichnet werden kann).

Der Grund für diesen Zeitpunkt liegt u. a. darin begründet, dass man einerseits nicht zu früh operieren und zunächst abwarten möchte, ob im ersten Trimenon die Schwangerschaft erhalten bleibt (oder vielleicht ein Abort aus anderen Gründen erfolgt). Andererseits soll ein Aufsteigen von Infektionen schon vor dem Verschluss natürlich möglichst verhindern werden. Für die meisten Fälle ist ein Verschluss um 12 SSW daher angezeigt. Bei Bedarf (insbesondere bei vorangegangenen Fehlgeburten, die relativ früh erfolgten) kann der Verschluss aber durchaus schon vor 12 SSW erfolgen.

Tipp:
Als „Faustregel“ empfehlen wir, den FTMV möglichst mit 12 SSW durchzuführen und mindestens 4 Wochen früher, als in der vorangegangenen Gravidität Probleme aufgetreten waren (z. B. wenn es in der vorangegangenen Schwangerschaft zu einer Fehlgeburt mit 15 SSW kam, sollte der Verschluss in der nächstfolgenden Gravidität spätestens mit 11 SSW durchgeführt werden). Noch ausstehende Diagnostik in Bezug auf mögliche Missbildungen des Kindes sollte nicht zu einer Hinauszögerung des Operationstermins führen.

 
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Präoperative Maßnahmen

Infektionsscreening und Pap-Test

Sofern der letzte Pap-Test schon länger zurückliegen sollte, empfiehlt es sich, diesen vor Einweisung ins Krankenhaus vorzunehmen, da bei der Operation die Portio-Oberfläche teilweise entfernt wird und die betreffende Region dann längere Zeit nicht mehr einsehbar sein wird. Eine andere Option wäre, das Abradat histologisch untersuchen zu lassen.

Präoperativ müssen Untersuchungen auf Infektionen durchgeführt werden, z. B. Vaginal- und Zervikalabstriche mit mikroskopischer und/oder bakteriologischer Untersuchung. Im Falle pathologischer Befunde sollte die Patientin eine entsprechende lokale oder systemische Therapie mit Antibiotika oder Chemotherapeutika erhalten. Außerdem empfehlen wir, direkt vor der OP (bereits auf dem Operationstisch) eine Eipol-Lavage durchzuführen (s.u.). Leider wird diese sinnvolle Maßnahme noch nicht ausreichend genutzt.

Präoperative Desinfektion

2–3 Tage vor der OP sollte eine präoperative Desinfektion bzw. keimreduzierende Behandlung der Vagina durchgeführt werden, durch:

  • Einlage von 2x1 Hexetidin Vaginaltablette oder
  • Täglich ein Povidon-Iod Vaginal-Supp. oder
  • 2x tgl. intravaginale Applikation eines Octenidin-Präparates zur lokalen Antisepsis
 
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Eipol-Lavage (EPL)

Nach Durchführung eines FTMV bzw. TMV kann man nicht mehr untersuchen, ob nicht evtl. schon vor dem Eingriff Mikroorganismen in den Uterus aszendiert sind. Deshalb empfehlen wir direkt vor dem Verschluss die sogenannte Eipol-Lavage (EPL) durchzuführen. Die EPL haben wir 1992 eingeführt (Saling 1992) und über erste Erfahrungen berichtet (Brandt-Niebelschütz et al. 1992).

Mit dieser risikoarmen Methode, bei der Spülflüssigkeit vom unteren Eipol gewonnen und bakteriologisch untersucht wird, kann man wichtige Informationen erhalten, ohne dafür die in angloamerikanischen Ländern verbreitete, wesentlich invasivere Amniozentese durchführen zu müssen. Falls nötig können bei positiven bakteriologischen Befunden dann gezielt die entsprechenden Antibiotika verabreicht werden. Manche Kollegen verzichten auf die Eipol-Lavage und geben generell perioperativ ein Breitspektrum-Antibiotikum – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.

Durchführung der EPL

Zur Durchführung der Eipol-Lavage verwenden wir ein eigens für diese Zwecke hergestelltes Führungsrohr mit vorne angebrachtem weichem Silikonschlauchansatz, durch das ein dünner (Außendurchmesser 1,5 mm) steriler, gut flexibler PVC-Katheter (Frühgeborenenernährungssonde) geführt wird (vgl. Abb. 2). Die Flexibilität des Katheters schließt eine Verletzung weitgehend aus.

Lavage am unteren Eipol

Abb. 2: Lavage am unteren Eipol

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Vor Beginn der Untersuchung wird die Portio am äußeren Muttermund mit einem geeigneten Antiseptikum desinfiziert. Unter Berücksichtigung steriler Kautelen wird das Führungsrohr mit dem relativ weichen Silikon-Ende behutsam wenige cm in den Zervikalkanal eingeführt. Daraufhin wird der Katheter durch das Führungsrohr geführt und bis zum Verspüren eines deutlichen Widerstandes durch den Zervikalkanal in Richtung auf den unteren Eipol vorgeschoben. Da der Kanal mitunter einen gekrümmten, manchmal auch einen geknickten Verlauf aufweist, empfiehlt es sich, den Katheter beim Sondierungsversuch mehrfach zwischen den Fingern zu drehen, um sein vorderes Ende so – ohne nennenswerten Druck auszuüben – besser zum oberen Zervikalkanalbereich passieren zu lassen.

Über den eingeführten Katheter werden 2 ml steriler 0,9 %iger Kochsalzlösung instilliert und anschließend soviel wie möglich wieder aspiriert. Diese Lavage-Flüssigkeit wird später bakteriologisch aufgearbeitet. Gelingt es bei dem 40 cm langen Katheter nicht, mindestens 0,3 ml der Kochsalzlösung (das ist etwas mehr als das Totraumvolumen) zurückzugewinnen, empfiehlt sich ein zweiter und eventuell auch ein dritter Versuch, jeweils mit 2 ml Kochsalzlösung die Spülung zu wiederholen. Je mehr Spülflüssigkeit zurückgewonnen wird, um so größer ist die Menge, die mit dem unteren Eipol in Kontakt war.

Mit der gewonnenen Eipol-Spüllösung werden ein Blutkulturmedium zur qualitativen Bestimmung aerober und anaerober Keime und eine Blutagarplatte zur semiquantitativen Bestimmung aerober Keime beimpft.

Mit der Eipol-Lavage können auch noch Keime erfasst werden, die nicht über einen Zervix-Abstrich feststellbar sind. Ein Schwachpunkt der Methode besteht darin, dass man ein Höherschieben von Keimen aus der Zervix an den unteren Eipol nicht ganz sicher ausschließen kann. Andererseits muss man davon ausgehen, dass Keime, die bereits den Zervikalkanal erreicht haben, wahrscheinlich weiter aufsteigen und zur Infektion am unteren Eipol führen. Keime aus der Vagina dürften wegen der vorherigen Desinfektion des Muttermundbereiches und der Einführung des Katheters unter Sicht nicht eingebracht werden.

 
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Operationstechnik

Instrumentarium

Für die Durchführung des operativen Totalen Muttermund-Verschlusses (TMV) empfiehlt sich das übliche Instrumentarium für Operationen am Muttermund plus ein spezielles Schlingeninstrument sowie eine Abschleifvorrichtung, die beide weiter unten im Text erklärt werden. Die Abbildungen A und B zeigen das im Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln hierfür verwendete Instrumentarium. Spezielle Instrumente sind entsprechend gekennzeichnet.

Instrumentarium für den TMV

Abb. A: Instrumentarium für den TMV
(wie im Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln verwendet)

1) Schlingeninstrument zum Abbinden der Portio (von Faromed Art. Nr 11-400)
2) Abschleifvorrichtung (von Aesculap B. Braun, s.u.)
3) Fensterklemmen zum Fassen der Muttermund-Ränder bei bereits gering eröffnetem Muttermund (bei noch völlig geschlossenem Muttermund werden seitlich angesetzte Kugelzangen verwendet).

Abschleifvorrichtung

Abb. B: Abschleifvorrichtung
2a) Winkelhandstück (von Aesculap-B. Braun, Art. Nr. GD455M)
2b) Fräser (von Aesculap-B. Braun, Art. Nr. GD075R)
2c) Diamant-Schleifkörper (von Aesculap-B. Braun, Art. Nr. GC975R)

Schlingeninstrument zur Blutstillung

Vor Beginn der eigentlichen Muttermund-Verschluss-Operation empfiehlt es sich dringend, zur Vermeidung von Blutungen die Portio so hoch wie möglich zirkulär abzubinden, so dass eine fast vollständige Zirkulationsunterbrechung erreicht wird. Diese Maßnahme hat zwei entscheidende Vorteile:

  1. Der Blutverlust, der bei Schwangeren wegen der starken Vaskularisation beträchtlich sein kann, wird auf ein Minimum reduziert, und
  2. die Sicht beim Operieren und dem späteren Zunähen ist viel besser als sonst bei ständiger, mitunter diffuser Blutung.

Zum Unterbinden ist von uns ein spezielles Schlingeninstrument entwickelt worden (Saling 1989, s. Abb. 3 und 4)

Schlingeninstrument zur Blutstillung:
              Schlinge, demonstriert an zwei Fingern

Abb. 3: Schlingeninstrument zur Blutstillung: Schlinge, demonstriert an zwei Fingern

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Schlingeninstrument zur Blutstillung:
              Sperrverzahnung

Abb. 4: Schlingeninstrument zur Blutstillung: Sperrverzahnung

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Beim Schlingeninstrument befindet sich in einem Führungsrohr eine Stange mit Sperrverzahnung (s. Abb. 4) Diese ermöglicht es, die vorher um die Portio zirkulär angebrachte flexible Schlinge (s. Abb. 3) aus rostfreiem Stahldrahtgeflecht bis zur erwünschten Spannung fest zu ziehen und in diesem festgezogenen Zustand zu fixieren.

Die Schlinge sollte so fest gezogen werden, dass eine nur geringfügige Blutung bestehen bleibt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Zirkulation im Gewebe nicht völlig unterbrochen ist.

Wenn nach Abschluss des Eingriffes die Blutstillung aufgehoben werden soll, wird die Zahnstange um etwa 90 Grad gedreht. Die Sperrfeder gleitet dabei aus der Zahnung und gibt die Schlinge frei. Durch Hochschieben der Zahnstange wird die Schlinge gelockert, und die gesamte Vorrichtung kann leicht entfernt werden. Das Schlingeninstrument ist erhältlich bei der Faromed GmbH, Berlin.

Entfernen des Epithels

Wie vorhin schon betont: Der Muttermund kann nur dann vollständig zusammenwachsen, wenn vor dem Vernähen die Portiooberfläche angefrischt bzw. das Epithel möglichst vollständig entfernt wird. (Ansonsten handelt es sich nicht um einen Muttermund-Verschluss nach Saling, sondern nur um eine Form der Cerclage.)

Früher wurde das Epithel durch scharfes Abpräparieren mit dem Skalpell von der Portiooberfläche entfernt, was aufwändig ist. Inzwischen kommt eine bessere Technik zum Einsatz: Durch Abschleifen der Portiooberfläche mit einer hochtourig rotierenden, einfachen sterilen Drahtbürste (s. Abb. 5a), wie dies ähnlich in der Dermatologie zur Narbenglättung eingesetzt wird, erfolgt ein wesentlich schonenderes und sichereres Anfrischen des Gewebes.

Schleifbürste

Abb. 5a: Schleifbürste

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Schleifköpfe

Abb. 5b: Schleifköpfe

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Um die zu beschleifende Fläche zu markieren, aber auch um anschließend jene, die Portiooberfläche adaptierenden und den Wundbereich verschließenden Knopfnahtreihen exakt setzen zu können, wird zirkulär – in einem Radius von etwa 10 mm um den äußeren Muttermund herum – eine 1–2 mm tief reichende Inzision mit dem Skalpell gelegt (s. Abb. 6).

Anschließend wird das Portioepithel mit einer hochtourig rotierenden, einfachen sterilen Drahtbürste (Abb. 7) entfernt. Diese Drahtbürste wird über eine flexible Welle von einem durch Akkustrom versorgten kleinen Elektromotor angetrieben. Man kann auch ein mit Druckluft angetriebenes hochtourig rotierendes Schleifinstrument (s. Abb. 5b) benutzen (Firma Aesculap). Das hat den Vorteil, dass die Patientin mit keiner Stromquelle in Verbindung steht. Dafür ist diese Ausrüstung aber teuer in der Anschaffung.

Markierung durch Inzision

Abb. 6: Markierung durch Inzision

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Abschleifen des Portioepithels

Abb. 7: Abschleifen des Portioepithels

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Nach Abschleifen der Portiooberfläche wird, unter Spreizen des äußeren Muttermundes mit Moskito-Klemmen, auch ca. 1–2 cm hochreichend im Zervikalkanal, das Drüsenepithel im Zervikalkanal ebenfalls mit der rotierenden Drahtbürste möglichst ganz entfernt (Abb.8).

Abschleifen des Drüsenepithels
              im Zervixkanal

Abb. 8: Abschleifen des Drüsenepithels im Zervixkanal

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Nahttechnik

Es folgen nun 2–3 innere zirkuläre Nähte (s. Abb. 9). Anschließend werden 2 quere Knopfnahtreihen gesetzt, die den äußeren Muttermund total verschließen (Abb. 10). Für alle Nähte empfehlen sich synthetische monofile Fäden (PDS), weil diese im Vergleich zum Catgut ein deutlich reaktionsloseres Abheilen ermöglichen. Abb. 11 zeigt einen gut abgeheilten Verschluss.

Innere zirkuläre Nähte

Abb. 9: Innere zirkuläre Nähte

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Zustand nach Abschluss der OP
              und Nahtschema

Abb. 10: Zustand nach Abschluss der OP und Nahtschema

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Postoperativ

Wiederaufbau des Vaginoms

Nach der OP bzw. nach Absetzen der desinfizierenden Behandlung sollte, um den Wiederaufbau des normalen Vaginoms zu unterstützen, einige Tage lang ein Lactobacillus-Präparat vaginal appliziert werden.

Verhalten nach der Operation

Nach Ablauf von zwei Wochen nach der Operation und vollständiger Wundheilung bedarf die Schwangere, sofern keine anderen Gründe dafür vorliegen sollten, keiner besonderen Schonung mehr. Abb. 11 zeigt den Befund nach OP und Abheilung.

Zustand nach Abheilung

Abb. 11: Zustand nach Abheilung

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Verkürzung der Cervix nach dem FTMV

In einigen Fällen kommt es einige Zeit nach dem FTMV zu einer Verkürzung oder sogar Trichterbildung der Cervix. Ohne FTMV würde man dies als Risikohinweis für eine drohende Frühgeburt werten. Sowohl eigene Erfahrungen als auch die Erfahrungen anderer Kollegen (z. B. Fr. Dr. Ramsauer, Vivantes Klinikum Berlin Neukölln und PD Dr. Weiss, Böblingen, pers. Mitteilungen) haben aber gezeigt, dass eine Verkürzung nach FTMV kaum von Bedeutung ist: [...] oft hält der verschlossene äußere MM auch bei sonographisch nur nachweisbaren 5 mm bis zum Termin. (Dr. Weiss, pers. Mitteilung)

 
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Sonderfälle

Kombination mit einer Cerclage

Einige Kollegen kombinieren den Totalen Muttermund-Verschluss mit einer zusätzlichen Cerclage. Dafür existieren unseres Wissens aber keine fundierten Gründe. Die Prävention einer aszendierenden Infektion, der Hauptursache der vermeidbaren frühen Frühgeburten, ist – wie vorhin erläutert – beim TMV durch das Setzen einer totalen Barriere unvergleichlich effizienter als bei der Cerclage. Dafür sprechen auch die von uns erhobenen vergleichenden Ergebnisse. Ein anderer Aspekt, nämlich das Erzeugen einer zirkulären Narbe als Gewebereiz auf die Cerclageschlinge, dürfte irrelevant sein, da kaum angenommen werden kann, dass eine Narbe eine Dilatation der Zervix ernsthaft und anhaltend verhindern könnte. Außerdem bestehen nach einem TMV ebenfalls Narben als Folge der zirkulären intrazervikalen Nähte wie auch der beiden queren Knopfnahtreihen im äußeren Muttermundbereich. Das für die Vermeidung von Frühgeburten Entscheidende dürfte aber keine mechanische Stütze, sondern die Vermeidung der Aszension von Keimen sein.

Kombination mit Emmet-Plastik

Bei Frauen mit Z.n. Zervixriss, ausgedehnter Konisation oder anderen Gründen für den Verlust von Cervixmaterial kann im selben Operationsgang nicht nur der FTMV, sondern zusätzlich auch eine Emmet-Plastik mit möglichst weitgehender Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse an der Cervix durchgeführt werden. Dieser kombinierte Eingriff sollte allerdings nur von Operateuren vorgenommen werden, die viel Erfahrung mit beiden Operationen haben. Die von einigen Kollegen für diese Fälle empfohlene Kombination von FTMV plus Cerclage halten wir für nicht sinnvoll (s.o.) und würden den Schwangeren bei Bedarf eher eine etwas weiter entfernt liegende Klinik empfehlen, in der der FTMV mit einer Emmet-Plastik kombiniert werden kann.

FTMV bei Placenta praevia

Ein Früher Totaler Muttermund-Verschluss kann durchaus auch bei einer Placenta praevia marginalis bzw. partialis durchgeführt werden, und man sollte keineswegs warten, bis sie sich „verlagert“ hat. Erfahrungen für FTMV bei Placenta praevia totalis liegen bislang nicht vor. Auf jeden Fall sollte der Verschluss möglichst in einer Klinik mit reichlich Erfahrung mit dem FTMV durchgeführt werden.

Wichtig ist außerdem, dass sich in Nähe der Schwangeren eine Klinik oder Praxis befindet, die sowohl über ein hoch auflösendes Ultraschallgerät verfügt als auch über Ärzte, die viel Erfahrung mit der Ultraschall-Untersuchung von Schwangeren haben. Denn sollte es bei einer Placenta praevia zu stärkeren Blutungen kommen, kann dies unter Umständen zu einem lebensbedrohlichen Blutverlust führen. Da es durch den Verschluss nicht nach außen bluten kann, kann die Blutung zunächst nicht erkannt werden. Aber stärkere Blutungen würden zu Beschwerden (meist Kontraktionen) führen und das Hämatom (die Blutansammlung zwischen Mutterkuchen und Gebärmutterwand) kann dann von einer im Ultraschall erfahrenen Ärztin/Arzt erkannt werden. Wir betonen „erfahren“, da das Hämatom wegen der Echodichte nicht immer leicht vom umgebenden Gewebe zu unterscheiden ist.

Weitere Informationen finden Sie bei „Häufige Fragen/Placenta praevia und FTMV“.

 
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Maßnahmen am Ende der Schwangerschaft

In der Spätphase der Schwangerschaft kann sich im Rahmen der Geburtsreifungsprozesse der äußere Muttermund evtl. spontan bereits gering geöffnet haben. Andernfalls empfehlen wir, bei ausreichendem Schwangerschaftsalter oder bei spontanem Geburtsbeginn den Versuch zu unternehmen, die Zervix zu rekanalisieren, um unkontrollierten Rupturen vorzubeugen. Das Rekanalisieren ist besonders bei einer noch 2–3 cm formierten „stehenden“ Portio etwas schwieriger als bei einer bereits verstrichenen. Wir empfehlen bislang, dass die Narbe spätestens eröffnet werden sollte, wenn:

  • die Wehen spontan einsetzen,
  • eine Geburtseinleitung geplant ist, oder
  • 37 SSW vollendet sind.

Einige Kollegen haben inzwischen aber auch gute Erfahrungen damit gemacht, abzuwarten, dass sich die Narbe unter der Geburt alleine öffnet. Hier sind unserer Meinung nach (im Hinblick auf mögliche Komplikationen) noch größere Fallzahlen abzuwarten, bevor wir ein solches Vorgehen generell empfehlen können.

Zur Eröffnung der Narbe wird im allgemeinen in Infiltrationslokalanästhesie oder in Periduralanästhesie (letztere, falls sie für die Geburt sowieso gewünscht wird) die Portio-Narbe mit einigen Scherenschlägen (s. Abb. 12) eröffnet. (Eine vorherige Ultraschalluntersuchung der Zervix empfiehlt sich zur Klärung der anatomischen Verhältnisse.) Anschließend geht man – um ein wenig zu dilatieren – mit dem Finger (s. Abb.13) in das darüber liegende lockere Zervixgewebe, in Richtung zum vermuteten inneren Muttermund einige cm tief ein.

Aufschneiden der Portio-Narbe

Abb. 12: Aufschneiden der Portio-Narbe

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Einführen des Fingers Richtung
              innerer Muttermund

Abb. 13: Einführen des Fingers Richtung innerer Muttermund

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Wünscht die Patientin nach der Narbeneröffnung entlassen zu werden, um abzuwarten, bis spontan Geburtsvorgänge einsetzen, sehen wir bei fehlenden Risikohinweisen keinen Grund, ihrem Wunsch nicht zu entsprechen.

Wünscht die Patientin nach der Narbenöffnung eine anschließende Geburtseinleitung, empfiehlt sich bei noch nicht ausreichender Zervixreife zunächst lokal PGE2-Gel zu verabfolgen. Bei unbefriedigendem Erfolg kommt eine PGE2-Infusion in Betracht. Die Fruchtblase sollte so lange wie möglich erhalten bleiben.

 
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Entbindungsmodus

Auf keinen Fall sollte allein wegen des Muttermund-Verschlusses eine primäre Sectio erwogen werden. Im Gegenteil: Eine unter der vaginalen Geburt erfolgende Rekanalisierung der Portio scheint eine günstige Voraussetzung für die Wiederherstellung normaler anatomischer Verhältnisse zu sein. Ferner möchten wir aus eigener Erfahrung an einem Fall darauf hinweisen, dass sich eine Rekanalisierung der vor der OP nicht eröffneten bzw. nicht dilatierten Zervix nach vollzogener primärer Sectio wegen der unübersichtlichen anatomischen Verhältnisse außerordentlich schwierig gestalten kann.

 
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Zustand nach der Geburt

Bei allen Patientinnen, bei denen eine vaginale Geburt nach dem FTMV erfolgt war, wuchs im Wochenbett Epithelgewebe innerhalb kurzer Zeit (wenige Wochen) über das Wundareal der Portio, und es ist – besonders seitdem die schonende Epithel-Abschleiftechnik verwendet wird – überraschend, wie wenig der Portio später nach Rückbildung im Wochenbett die vorausgegangene Operation anzusehen ist (s. Abbildungen 14 bis 16).

Zustand nach einem
              FTMV: etwas vernarbte Portio

Abb. 14: Zustand nach einem FTMV: etwas vernarbte Portio

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Zustand nach einem
              FTMV: Portio wie bei einer Nullipara

Abb. 15: Zustand nach einem FTMV: Portio wie bei einer Nullipara

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Zustand nach drei
              FTMV: gering zerklüftete Portio

Abb. 16: Zustand nach drei FTMV: gering zerklüftete Portio

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Ergebnisse

Um die Ergebnisse des FTMV, insbesondere im Vergleich zur Cerclage einschätzen zu können, sollte man nur Hochrisiko-Gruppen, wie jene, die oben (s. Indikationen) für den FTMV dargestellt wurden, in die Auswertung einbeziehen. Uns sind keine randomisierten Studien über den FTMV bekannt. Wir meinen auch, dass man bei den bislang veröffentlichten Ergebnissen kaum einer Frau mit derart kritischer Anamnese die Operation vorenthalten kann. Auch würde – zumindest in Deutschland, wo der FTMV schon sehr verbreitet ist – für eine randomisierte Studie wahrscheinlich keine Frau nach dem obligaten Aufklärungsgespräch bereit sein, evtl. einer Kontrollgruppe zugewiesen zu werden. Deshalb müssen wir uns auf die praktikable Lösung beschränken, den Ausgang der Schwangerschaft mit FTMV mit dem Ausgang früherer Schwangerschaften dieser Patientinnen, am besten mit der unmittelbar vorausgegangenen Schwangerschaft, zu vergleichen (Hormel und Künzel 1995, Saling 1984, Saling und Schumacher 1996). Man sollte dabei auch bedenken, dass die Chancen, doch noch ein lebendes Kind zu bekommen, umso weiter sinken, je häufiger eine Frau bereits Aborte oder Frühgeburten hatte (McManemy et al. 2007).

Ergebnisse aus den 1980er und 1990er Jahren

1990 haben wir retrospektiv die Daten einer Gruppe von Patientinnen mit habitueller Abort- oder Frühgeburtsneigung ausgewertet (Giffei 1990, Saling 1990). Bei 113 Patientinnen wurden von insgesamt 389 gewünschten Schwangerschaften nur 101 Kinder lebend geboren (26 %). 35 dieser Kinder starben jedoch noch in der Neonatalperiode. Demnach überlebten nur 66 Kinder; die Chance, ein überlebendes Kind zu behalten, lag also bei nur 17 %. Nach Durchführung des Totalen Muttermund-Verschlusses (TMV) waren in derselben Patientinnengruppe 132 Schwangerschaften mit 94 lebenden und auch überlebenden Kindern zu verzeichnen. Die Chancen stiegen damit auf rund 71 %. Wir konnten außerdem zeigen, dass unsere Ergebnisse mit dem „frühen“ TMV zweimal so gut wie mit dem „späten“ TMV waren (80 % vs. 40 %).

Betrachtet man die 38 Fälle mit missglückten Schwangerschaften, dann waren es 10 mal Frühgeborene mit extrem niedrigen Geburtsgewicht, die kurz post partum verstarben. In den restlichen Fällen lagen Aborte vor, von denen 13 nach spätem Verschluss auftraten und 15 nach frühem Verschluss. Die Abortraten nach „spätem“ Verschluss betrugen somit 43 %, nach „frühem“ dagegen nur 15 % (Saling 1990).

Ähnlich gute Ergebnisse wurden auch in anderen Kliniken mit dem Totalen Muttermund-Verschluss erzielt: 1996 veröffentlichten wir die Ergebnisse einer Multi-Center-Erhebung, an der sich 11 deutsche Kliniken beteiligt hatten (Saling und Schumacher 1996) und bei der der Ausgang von insgesamt 819 Schwangerschaften mit TMV untersucht wurde. Es zeigte sich, dass die Rate von überlebenden Kindern vor Durchführung des TMV 21 % gewesen war, im Vergleich zu 74 % der Schwangerschaften mit TMV. Hormel und Künzel (1995) berichteten über ähnlich gute Ergebnisse.

Betrachtet man den Geburtsmodus, so hatten 71 % der Patientinnen unseres Kollektivs mit TMV eine Spontangeburt; insgesamt 86 % sind vaginal entbunden worden. Die Rate an Sectiones lag bei 14 % bei einer damaligen Sectio-Rate von 9 % aller Geburten in der gesamten Abteilung (Saling 1990). Diese relativ geringe Sectio-Rate zeigt, dass nach TMV die Geburt (nach vorheriger Eröffnung der Narbe) zumeist ohne Probleme vaginal erfolgen kann. Dies ist sogar empfehlenswert, da dabei die Zervix gedehnt wird, was für den Rückbildungsprozess nach dem operativen Verschluss als günstig anzusehen ist.

1997 berichteten wir über die Ergebnisse einer Nachuntersuchung bei 52 Frauen nach Schwangerschaft mit TMV (Saling und Schumacher 1997). Auf der Basis dieser Ergebnisse lässt sich schließen, dass im Zusammenhang mit dem operativen Totalen Muttermund-Verschluss keinerlei ins Gewicht fallenden negativen Auswirkungen festgestellt werden konnten.

Ergebnisse neueren Datums

In neueren Veröffentlichungen (z. B. Ramsauer 2012) wird sogar über noch bessere Zahlen berichtet: Ramsauer bezeichnet in ihrer Veröffentlichung den FTMV als prophylaktischen oder „primären Zervixverschluss“. Damit konnten im Zeitraum von 2008–2011 bei 315 Schwangerschaften eine Erfolgsrate von 95 % und mit dem sog. sekundären Zervixverschluss (später TMV) immerhin noch Erfolge um die 90 % erreicht werden.

FTMV versus Cerclage

Die Cerclage ist eine – trotz kontroverser Diskussionen – immer noch weit verbreitete Maßnahme und es existieren zahlreiche Publikationen darüber. Einige Autoren berichten von guten Ergebnissen, aber man sollte sich diese Berichte kritisch ansehen und prüfen, ob die Cerclage bei Frauen mit einem ähnlich hohen Risiko, wie oben erwähnt, durchgeführt wurde. Die Cerclage – das trifft im Prinzip auch für Pessare zu – ist kaum in der Lage, aufsteigende Infektionen zu verhindern, da sie den Zervikal-Kanal nur verengt aber nicht verschließt (s.o., Abb. 1). In dem oben beschriebenen Kollektiv von Frauen, bei denen ein TMV durchgeführt wurde (Saling 1990), wurde in 51 vorangehenden Schwangerschaften eine Cerclage durchgeführt wobei nur 13 Kinder überlebten. Das ist eine Überlebensrate von nur 26 % (im Gegensatz zu 40 % bei „spätem“ TMV und 80 % bei frühem TMV). Diese Ergebnisse bestätigen, dass es ratsam ist, in diesen Fällen dem FTMV gegenüber der Cerclage den Vorzug zu geben. (Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen operativen Möglichkeiten ist in Vetter und Kilavuz (2001) zu finden.)

Einige Kollegen kombinieren den Totalen Muttermund-Verschluss mit einer zusätzlichen Cerclage. Dafür existieren unseres Wissens aber keine fundierten Gründe (s. oben bei „Sonderfälle“).

 
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Mehrlingsschwangerschaft und FTMV

Die bisher dargestellten Zahlen beziehen sich alle auf Frauen, die in der Vorgeschichte bereits mindestens eine Früh- bzw. späte Fehlgeburt hatten. Inzwischen gibt es eine Untersuchung, bei der der FTMV bei Mehrlingsschwangerschaften (die ja bekanntermaßen ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko haben) präventiv eingesetzt wurde, auch wenn die Frauen nicht anamnestisch belastet waren:

Schulze führte in der Frauenklinik Cottbus (Deutschland) seit 1990 bei jeder Mehrlingsschwangerschaft – falls die Patientin seinem Vorschlag zustimmte – einen FTMV prophylaktisch durch und hat damit bemerkenswerte Erfolge erzielt: Bei insgesamt 219 Mehrlingsschwangerschaften führte er bei 96 Frauen den FTMV durch, 123 Frauen erhielten keinen FTMV. Die Rate der sehr früh Frühgeborenen – also < 32SSW – lag bei 24 % der Fälle ohne FTMV und bei 13,5 % der Fälle mit FTMV. Bei den besonders stark gefährdeten Kindern, die mit weniger als 28 abgeschlossenen SSW geboren wurden, lag die Rate mit FTMV bei 1 % und bei 4 % ohne FTMV. Konsequenterweise ist auch die perinatale Mortalität in Fällen nach FTMV fast um die Hälfte niedriger. Mit FTMV betrug sie 2,5 % und ohne 4,1 % (Schulze 2008).

Anhand des vorliegenden Datenmatierials ist es vielleicht noch zu früh, einen FTMV generell bei allen Mehrlingsschwangerschaften zu empfehlen, bevor nicht auch von anderen Kollegen eine Bestätigung der guten Ergebnisse erfolgt. Außerdem gibt es bislang noch keine Untersuchung die vergleicht, ob bei Mehrlingsschwangerschaften – bei ansonsten unbelasteter Vorgeschichte – der FTMV oder die Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere (SVA) zu besseren Ergebnissen führt. Aber man sollte diese Möglichkeit zumindest ernsthaft in Betracht ziehen – insbesondere bei Mehrlingsschwangerschaften und zusätzlichen Risikofaktoren (z. B. nach In-vitro-Fertilisation, oder bei einer Schwangeren gegen Ende ihrer möglichen Reproduktionszeit).

 
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Schlussfolgerung

Auf der Basis der bisherigen Erfahrungen und Ergebnisse stellt der Totale Muttermund-Verschluss – insbesondere der frühe Verschluss – eine überzeugend effiziente operative Maßnahme zur Vermeidung später Aborte und früher Frühgeburten dar, insbesondere in Fällen, in denen solche Ereignisse wiederholt aufgetreten waren.

 
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Patientinneninformation zum Muttermund-Verschluss

Auf unserer Website sind auch Informationen über den Frühen Totalen Muttermund-Verschluss für Patientinnen enthalten. Diese können auch gerne als PDF-Datei zur Weitergabe an die Patientinnen ausgedruckt werden.

 
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Codierung nach ICD-10 und OPS-301

ICD-10 Diagnose:

O26.2 (Schwangerschaftsbetreuung bei Neigung zu habituellem Abort)
und/oder
O34.3 (Betreuung einer Mutter mit Cervixinsuffizienz)

OPS 301-Procedur:

5-674.1 (Muttermund-Verschluss in der Schwangerschaft)

 
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Adressen

Wir führen eine Liste mit Adressen von geburtsmedizinischen Abteilungen, bzw. Frauenkliniken, in denen unseres Wissens der Frühe Totale Muttermund-Verschluss durchgeführt wird. Wir bemühen uns, weitere Adresse zu erhalten. Sollte eine in Betracht kommende Klinik bislang dort noch nicht aufgeführt worden sein, oder sollten sich Änderungen ergeben haben, bitten wir um Benachrichtigung.

 
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TMV-Video

Der gesamte Operationsablauf des Totalen Muttermund-Verschlusses ist auch in Form eines selbst erstellten Videos mit Kommentaren auf Deutsch oder Englisch gegen einen kleinen Betrag erhältlich. Die über die Herstellungskosten hinausgehende Summe kommt dem gemeinnützigen Erich Saling-Institut für Perinatale Medizin zu Gute.

Download (Dateigröße ca. 7 bzw. 9 MB – nur bei DSL-Anschluss zu empfehlen). Wenn Sie sich das Video direkt herunterladen, bitten wir um eine Spende auf unten genanntes Konto.

deutsch  Video auf Deutsch (9:20 Min.)    [Real Media | Windows Media]
englisch  Video auf Englisch (9:30 Min.)    [Real Media | Windows Media]

Bestellung der CD auf postalischem Weg. Wir bitten hierfür um Überweisung von 30 € auf unten genanntes Konto (Stichwort: TMV-Video). Bitte teilen Sie uns auch mit, ob Sie das deutsch- oder das englischsprachige Video erhalten möchten.

 
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Literatur

  • Brandt-Niebelschütz S, Saling E, Küchler R (1992): Weitere Erfahrungen mit der Eipol-Lavage (EPL) im Zusammenhang mit der Vermeidung von Frühgeburten. Z Geburtshilfe Perinat 196: 229–237
  • Brix, N.; Secher, N. J.; McCormack, C. D.; Helmig, R. B.; Hein, M.; Weber, T. et al. (2013): Randomised trial of cervical cerclage, with and without occlusion, for the prevention of preterm birth in women suspected for cervical insufficiency. BJOG 120 (5), 613–620.
  • Giffei JM (1990): Der totale operative Muttermundverschluß. Ein neues Verfahren zur Vermeidung der wiederholten Spätaborte und Frühgeburten. Inauguraldissertation, Medizinische Fachbereiche der Freien Universität Berlin
  • Hormel K, Künzel W (1995): Der totale Muttermundverschluß. Prävention von Spätaborten und Frühgeburten, Gynäkologe 28 (3), 181–186
  • McManemy, Julie; Cooke, Erinn; Amon, Erol; Leet, Terry (2007): Recurrence risk for preterm delivery. Am J Obstet Gynecol 196 (6), 576.e1–576.e7.
  • Ramsauer, Babett (2012): Spätabort und extreme Frühgeburt. Mechanische Eingriffe zur Prävention. Der Gynäkologe 45 (7), 527–532.
  • Romero, Roberto; Espinoza, Jimmy; Erez, Offer; Hassan, Sonia (2006): The role of cervical cerclage in obstetric practice: can the patient who could benefit from this procedure be identified? Am J Obstet Gynecol 194 (1), 1–9.
  • Romero, Roberto; Gonzalez, R.; Sepulveda, W.; Brandt, F.; Ramirez, M.; Sorokin, Y. et al. (1992): Infection and labor. VIII. Microbial invasion of the amniotic cavity in patients with suspected cervical incompetence: prevalence and clinical significance. Am J Obstet Gynecol 167 (4 Pt 1), 1086–1091.
  • Saling E (1981): Der frühe totale Muttermundverschluß zur Vermeidung habitueller Aborte und Frühgeburten. Z Geburtshilfe Perinat 185: 259–261
  • Saling, E. (1984): Der frühe totale operative Muttermundverschluß bei anamnestischem Abort- und Frühgeburtrisiko. Gynäkologe 17: 225–227
  • Saling E, Lescinski R (1989): Schlingeninstrument zur Blutstillung bei operativen Eingriffen an der Portio. Z Geburtshilfe Perinatol 193(5): 241–242.
  • Saling E (1990): Der totale operative Muttermundverschluß zur Vermeidung habitueller Spätaborte und sich wiederholender Frühgeburten – Fortentwicklung der Technik, weitere Erfahrungen und Ergebnisse. In: Dudenhausen JW, Saling E (Hrsg.): Perinatale Medizin, Bd. XIII. (14. Deutscher Kongreß für Perinatale Medizin, Berlin, 1989). Thieme: Stuttgart, New York, 65–67
  • Saling E (1992): Current Measures to Prevent Late Abortion or Prematurity. In: Saling, E.: Nestlé Nutrition Workshop Series, Vol. 26. Raven Press, New York
  • Saling E, Schumacher E (1996): Der operative Totale Muttermund-Verschluß (TMV). Erhebung von Daten einiger Kliniken, die den TMV einsetzen.
    Z. Geburtsh. Neonat. 200: 82–87
  • Saling E, Schumacher E (1997): Ergebnisse einer Nachuntersuchung von Müttern nach vorausgegangenen operativen „Totalen Muttermund-Verschlüssen“ (TMV) unter Berücksichtigung auch der Daten ihrer Kinder.
    Z Geburtshilfe Neonatol 201: 122–127
  • Schulze G (2008): Ergebnisse des Frühen Totalen Muttermundverschlusses nach Saling (FTMV) bei Mehrlingsschwangerschaften – eine retrospektive Studie der Jahre 1995–2005 [Results of Early Total Cervix Occlusion (ETCO) According to Saling in Multiple Pregnancies – a retrospective study of the period 1995–2005.] Z Gebutrtsh Neonatol 212: 13–17
  • Szendi B (1961): Verhinderung von fortgeschrittenen Fehl- und Frühgeburten durch vollkommenen Muttermundverschluss auf blutigem Weg. Acta Chirurgica II: 413–418
  • Szendi B (1961): Vollständiges Zusammennähen des äußeren Muttermundes auf blutigem Wege zur Verhinderung von vorgeschrittenen Abortus und Frühgeburten. Zentralbl Gynakol 83: 1083–1087
  • Vetter K, Kilavuz Ö (2001): Zervixinsuffizienz: operative Möglichkeiten. Gynäkologe 34: 726–731

English article to print

  • Saling E, Schreiber M, Lüthje J (2001): Role of operative early total cervix occlusion for prevention of late abortion and early prematurity.
    In: Carrera JM, Cabero L, Baraibar R (eds.): The perinatal medicine of the new millennium. Proceedings of the 5th world congress of Perinatal Medicine, Barcelona, Spain, September 23–27, 2001. Monduzzi, Bologna. 602–607
    Full text article (Permission for internet publishing kindly granted by Monduzzi Editore)

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Weitere Literatur zum Thema Frühgeburt und Frühgeburtenvermeidung

 

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